Carolin Otto veröffentlicht Roman über Berchtesgaden nach dem Krieg

Carolin Ottos Roman „Berchtesgaden“ beleuchtet die Nachkriegszeit und menschliche Abgründe in der ehemaligen NS-Hochburg.
Carolin Ottos Roman „Berchtesgaden“ beleuchtet die Nachkriegszeit und menschliche Abgründe in der ehemaligen NS-Hochburg. (Symbolbild/MW)

Carolin Otto veröffentlicht Roman über Berchtesgaden nach dem Krieg

Berchtesgaden, Deutschland - Die bayerische Literaturlandschaft hat Zuwachs erhalten: Mit ihrem ersten Roman „Berchtesgaden“ zieht die Filmemacherin und Drehbuchautorin Carolin Otto, bekannt aus Formaten wie „Tatort“ und „Polizeiruf“, die Aufmerksamkeit auf ihr Werk. In ihrem Buch beleuchtet sie die komplexe Thematik der Schuld und wie Menschen nach dem Nationalsozialismus mit den Folgen leben. Das Werk, das von Otto während ihrer Recherchen für die ZDF-Serie „Lena Lorenz“ inspiriert wurde, bietet einen tiefen Einblick in die ersten Wochen nach dem Krieg und zeigt, wie die Berchtesgadener sich von der zwölfjährigen Nazi-Herrschaft zur Demokratie hin bewegen.

„Berchtesgaden“ spielt in einem zeitgeschichtlichen Rahmen, der am 25. April 1945 beginnt, als die Amerikaner den Obersalzberg bombardieren. Interessanterweise bleibt der Ort selbst weitgehend verschont, während die Einheimischen die Villen der geflüchteten NS-Größen plündern. Nach der Befreiung durch amerikanische Soldaten wird eine militärische Regierung eingesetzt, und das Buch schildert eindringlich die Reaktionen und Verwandlungen der Bevölkerung in dieser Übergangszeit. Otto hat sich bei ihrer umfangreichen Recherche vor allem mit den Geschehnissen in Berchtesgaden zur frühen Nachkriegszeit beschäftigt.

Ein Blick auf die Charaktere

Die Romanhandlung wird aus verschiedenen Perspektiven erzählt und besteht aus 54 Kapiteln. Im Mittelpunkt steht die 19-jährige Sophie, die für das Military Government arbeitet und sich in ihrer Rolle als Übersetzerin nicht nur den deutschen Verbrechen, sondern auch ihrer eigenen Verantwortung stellen muss. Ihre Verwicklung in die Geschichte vertieft sich, als sie sich in einen schwarzen GI verliebt, der in Deutschland Freiräume genießen kann, die ihm in den USA verwehrt bleiben. Dabei trifft sie auch auf bedeutende historische Figuren wie Frank Rosenzweig, einen jüdischen Juristen und Captain der amerikanischen Armee, der an Verhören beteiligt ist, und Rudolf Kriss, einen verhafteten Volkskundler, der nach seiner Befreiung Bürgermeister wird.

Das Buch thematisiert nicht nur die Herausforderungen der Nachkriegszeit, sondern wirft auch einen kritischen Blick auf die Abgründe des menschlichen Verhaltens, denunziantische Strukturen und die Interaktionen zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen unter amerikanischer Besatzung. Die Kraft von Ottos Erzählstil liegt in der authentischen Darstellung der Figuren, die trotz wechselnder Perspektiven klar umrissen bleiben.

Neueste Entwicklungen und historische Kontexte

„Berchtesgaden“ ist eine fesselnde fiktive Erzählung, die auf gründlicher Recherche basiert und einige Charaktere auf echten Personen beruht. Besonders empfohlen wird der Roman für die jüngere Generation, die häufig nicht ausreichend über diese Geschichte informiert ist. Die Thematik erreicht eine breitere Relevanz, da Historiker wie Jens-Christian Wagner betonen, dass das Bewusstsein für die NS-Zeit und ihren Schrecken immer mehr verloren geht, vor allem unter jüngeren Menschen, die weniger Kontakt zu Zeitzeugen haben. Die Arolsen Archives arbeiten aktiv daran, das Wissen über diese dunkle Periode durch die Digitalisierung von Dokumenten aufrechtzuerhalten und auch Gedenkstätten bieten spezielle Seminare zur Erforschung der eigenen Familiengeschichte an.

Der Roman umfasst 544 Seiten, wurde im Lübbe Verlag veröffentlicht und bietet all das für einen Preis von 24 Euro. Ursprünglich als TV-Serie geplant, hat Otto sich entschieden, das Buch schneller zu vollenden. Mit „Berchtesgaden“ bringt sie nicht nur eine fesselnde Geschichte zu Papier, sondern trägt auch dazu bei, die Erinnerung an die Schrecken des Nationalsozialismus wachzuhalten und die Frage aufzuwerfen, wie wir mit unserer Geschichte umgehen. Ein Schritt in die richtige Richtung, denn dort liegen viele Geschichten, die es wert sind, erzählt zu werden.

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OrtBerchtesgaden, Deutschland
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