
In einer fränkischen Bäckerei-Kette, Brothaus, wird seit Oktober 2024 die Möglichkeit angeboten, Trinkgeld bei Kartenzahlungen zu geben. Diese Praxis erfreut sich nicht nur in der Gastronomie, sondern auch bei Bäckereien wachsender Beliebtheit. Trinkgeld gilt in Deutschland als üblich, insbesondere in Restaurants und Cafés, während es bei Bäckereien und Kiosken weniger verbreitet ist. Diese Neuerung hat eine kontroverse Diskussion ausgelöst, insbesondere in sozialen Netzwerken wie Reddit.
Kritiker äußern Bedenken, dass das Trinkgeld nicht direkt bei den Mitarbeitenden ankommt, sondern möglicherweise beim Arbeitgeber bleibt. Unter den Kunden von Brothaus gibt es unterschiedliche Auffassungen: Einige empfinden die Möglichkeit, Trinkgeld zu geben, als Druck, während andere die Aufregung darüber nicht nachvollziehen können. Die Bäckerei versichert jedoch, dass die Trinkgelder zu 100% an die Mitarbeitenden im Verkauf ausgezahlt werden.
Reaktionen der Verbraucher und rechtliche Aspekte
Die Verbraucherzentrale Bayern sieht in dieser Trinkgeld-Funktion kein rechtliches Problem, solange die Auswahl zwischen „Ja“ und „Nein“ transparent ist. Ähnliche Bedenken wurden auch von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg geäußert, die erklärt, dass es kein Problem sei, solange die Option „kein Trinkgeld“ auswählbar ist und die Vorschläge sich im üblichen Rahmen bewegen. Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass die Gestaltung der Trinkgeldvorschläge, beispielsweise durch die Farbgebung der Buttons, dazu führen könnte, dass Kunden unbewusst zu einem Trinkgeld gedrängt werden.
Eine weitere Bäckerei in Offenau, die Bäckerei Hirth, berichtet von einer Trinkgeldquote von rund 50% der Kunden, die traditionell in bar geben. Auch dort werden die Trinkgelder für gemeinsame Aktivitäten der Mitarbeitenden verwendet. Um der zunehmenden bargeldlosen Zahlung Rechnung zu tragen, hat Brothaus die digitale Trinkgeldkasse eingeführt und befindet sich in einer unbefristeten Testphase für das System.
Ein internationaler Trend?
Der Trend zur Trinkgeldaufforderung an Kartenlesegeräten ist nicht neu. In den USA ist diese Praxis bereits weit verbreitet und wird dort als normal empfunden. Klaus Schmidt, ein Ökonom, erklärt, dass die Auswahlmöglichkeiten an den Geräten dazu führen, dass Menschen geneigter sind, mehr Trinkgeld zu geben. In Deutschland jedoch, wo ein gesetzlicher Mindestlohn existiert, ist die Übertragung der US-Trinkgeldkultur umstritten.
In bundesweiten Beispielen berichten einige Geschäfte von gemischten Kundenreaktionen. Einige lehnen die Trinkgeldaufforderung kategorisch ab, während andere gerne etwas geben und dies als selbstverständlich ansehen. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Trinkgeldtradition in Deutschland angesichts dieser neuen Technologien verändern wird, da die Verbraucher immer mehr digitales Bezahlen bevorzugen.
Insgesamt zeigt sich, dass die Einführung von Trinkgeldmöglichkeiten an Bäckereien nicht nur eine Frage des Service ist, sondern auch tiefgreifende Diskussionen über gesellschaftliche Normen und Erwartungen an das Trinkgeldverhalten auslöst. Die Bäckerei Der Beck hat beispielsweise bereits angekündigt, keine ähnliche Trinkgeld-Funktion einzuführen.