
Ein Jahr nach den letzten großangelegten Bauernprotesten in Deutschland zeigt sich ein gemischtes Stimmungsbild in der Agrarbranche. Michael Näßl, ein Landwirt aus Nordheim, erinnerte sich an die Proteste, die er vor einem Jahr auf dem Parkplatz der Zott-Genusswelt in Mertingen mitinitiierte. Laut der Augsburger Allgemeinen war die Atmosphäre bei den Protesten von Wut sowie Zuversicht geprägt. Diese Emotionen sind auch ein Jahr später noch spürbar, wobei viele Landwirte, darunter auch Näßl, ihren Unmut über die politischen Entscheidungsträger kundtun.
Näßl betont, dass die Bauern aus den Ereignissen viel gelernt haben. Dieses neu gewonnene Wissen könnte sich als wertvoll erweisen, sollten weitere Demonstrationen notwendig werden. Die Gemengelage aus Frustration und Hoffnung deutet darauf hin, dass die Bauern fest entschlossen sind, für ihre Belange einzutreten.
Protestwelle 2023/24
Die jüngsten Proteste gehen zurück auf die beschlossenen Sparmaßnahmen der Bundesregierung im Landwirtschaftssektor, die insgesamt rund 920 Millionen Euro einsparen will. Diese Kürzungen betreffen insbesondere steuerliche Erleichterungen, die für landwirtschaftliche Betriebe von großer Wichtigkeit sind. Wie die Correctiv berichtet, begannen die ersten Proteste am 14. Dezember 2023 in verschiedenen Städten, nachdem die Regierung die Abschaffung von Steuervergünstigungen für die Landwirtschaft angekündigt hatte.
Der Bauernverband reagierte prompt mit einem Aufruf zur Protestwoche, die am 8. Januar 2024 startete und am 15. Januar in Berlin endete. Die Hauptforderung lautet, die geplanten Steuererhöhungen zurückzunehmen, während landwirtschaftliche Betriebe von zusätzlichen Kosten von 4.000 bis 5.000 Euro pro Jahr betroffen sein könnten, sollte diese Politik fortgesetzt werden.
Rechte Verschwörungstheorien
Parallel zu den Protesten wurde in sozialen Netzwerken eine verstärkte Verbindung zu früheren Corona-Demonstrationen und rechten Ideologien festgestellt. Die Bundeszentrale für politische Bildung weist darauf hin, dass zahlreiche rechte und rechtsextreme Gruppen, wie die Freien Sachsen, bei den Protesten aktiv waren. Organisatoren der Demonstrationen, wie Anthony Lee, stehen aufgrund ihrer rechtsradikalen Äußerungen in der Kritik. Dies sorgt für Unruhe und Spaltung innerhalb der Bewegung, trotz der Bemühungen des Bauernverbands, sich von extremistischen Denkweisen abzusetzen.
Die Diskussion über die Proteste wird zusätzlich erschwert durch Desinformation, die besonders über Telegram verbreitet wird. Kritikern zufolge erhalten landwirtschaftliche Betriebe jährlich rund 40.000 Euro an Subventionen und konnten zuletzt Gewinnsteigerungen verzeichnen, was die Dringlichkeit der Proteste in Frage stellt.
Während die Protestwelle nach dem Januar an Dynamik zu verlieren scheint, bleibt die tiefe Verärgerung der Landwirte ungebrochen. Forscher vermuten, dass die wachsende Unzufriedenheit die Menschen trotzdem mobilisieren könnte. Viele Landwirte sind überzeugt, dass sie nur durch weiterhin kollektive Aktionen Gehör finden können – ein Umstand, den auch Näßl im Hinblick auf kommende Demonstrationen anführt.