
Die Zahl der Zivilklagen in Deutschland hat in den letzten Jahren einen dramatischen Rückgang erlebt. Seit 2007 ist die Anzahl der neu eingegangenen Zivilverfahren an den Amtsgerichten um fast 39 Prozent gesunken, was einem Abfall von 1,26 Millionen auf 773.400 Verfahren im Jahr 2023 entspricht. Auch an den Landgerichten ist ein Rückgang von knapp 19 Prozent zu verzeichnen, wobei die Zahl von 373.300 Verfahren (2007) auf 301.000 (2023) gefallen ist. np-coburg.de berichtet über diese besorgniserregende Entwicklung, die alle Bundesländer und nahezu alle Sachgebiete betrifft.
Besonders auffällig ist der Rückgang der Verfahrenszahlen während der Corona-Pandemie. So beispielsweise in Bayern, wo die Anzahl der Verfahren von 126.000 im Jahr 2019 auf weniger als 102.000 im Jahr 2022 gefallen ist. In Nordrhein-Westfalen ging die Zahl der Zivilverfahren an den Landgerichten von 85.000 im Jahr 2013 auf weniger als 70.000 im Jahr 2023 zurück. Auch im Osten Deutschlands, wie in Brandenburg, sind ähnliche Trends zu beobachten: Hier sind die Verfahren von 8.285 (2013) auf 7.438 (2023) gesunken.
Gründe für den Rückgang
Die Gründe für diese Abnahme sind vielfältig. Eine wesentliche Rolle spielen die hohen Kosten für rechtliche Schritte sowie die seelische Belastung, die mit einem Prozess einhergeht. Darüber hinaus hat die abnehmende Zahlungsbereitschaft von Rechtsschutzversicherungen einen Einfluss auf die Klageneigung der Bürger. Um dem entgegenzuwirken, plant die Ampel-Koalition die Erprobung von Online-Klagen für niedrige Streitwerte sowie eine Anhebung der Streitwertgrenze von 5.000 Euro auf 8.000 Euro, doch dieses Gesetz ist bisher nicht beschlossen.
Ein weiteres relevantes Thema sind Massenverfahren, wie zum Beispiel die Klagen gegen Volkswagen im Abgasskandal und im Wirecard-Komplex. Diese stellen eine erhebliche Belastung für die Justiz dar. Prozessfinanzierer haben in diesem Zusammenhang ein Geschäftsmodell entwickelt, welches es Kapitalanlegern ermöglicht, Zivilklagen profitabel einzureichen, ohne im Vorfeld die Kosten tragen zu müssen. Diese Prozessfinanzierer übernehmen die Kosten für die Klagen und erhalten im Erfolgsfall eine Provision von bis zu 20 Prozent, wie es bei Litfin der Fall ist, das derzeit 5.500 Kläger im Wirecard-Skandal vertritt.
Kontroversen um die Prozessfinanzierung
Die Entwicklung der Prozessfinanzierung wirft unter Juristen zahlreiche Fragen zur Moral und Wirtschaftlichkeit auf. Litfin hat zudem spezielle Fonds für Anleger aufgelegt, die ihnen die Möglichkeit der Prozessfinanzierung bieten. Trotz der vielen Herausforderungen, die die Justiz derzeit meistern muss, ist der Rückgang der Zivilklagen eine Tatsache, die nicht ignoriert werden kann.